Interview mit Carolin Felber, Digitalisierungsmanagerin der Stadt Greifswald
Partnerstädte und -Organisationen stellen sich vor: Universitäts- und Hansestadt Greifswald
Im Interview: Digitalisierungsmanagerin Carolin Felber
Carolin Felber (Foto: André Gschweng)
Bitte stellen Sie Ihre Stadt und Ihren Kreis vor. Wie sehen Sie die Herausforderung der Digitalisierung?
„Die Universitäts- und Hansestadt Greifswald ist regional verankert und international vernetzt. Mit ca. 60.000 Einwohnern liegt sie an der Ostseeküste zwischen den Inseln Rügen und Usedom. Die traditionsreiche Hansestadt ist deutschlandweit nicht nur als Fahrradstadt bekannt - Greifswald ist auch eine zukunftsfähige und moderne Universitätsstadt und ein international bedeutsamer Standort der Lehre und Forschung. Neben der Universität ist die Stadtverwaltung eine der größten Arbeitgeberinnen der Region. Über 390 Beschäftigte arbeiten direkt in der Kernverwaltung, dazu ca. 320 in den Einrichtungen.“
„Die Stabsstelle Digitalisierung wurde im Februar 2020 etabliert und ist direkt dem Oberbürgermeister Dr. Stefan Fassbinder untergeordnet. Seit nunmehr über 4 Jahren leite ich die Stabstelle und kann mit meinem kleinen 3-köpfigen Team sowie allen beteiligten Kolleg*innen aus der Stadtverwaltung auf viele erfolgreiche Ergebnisse zurückblicken.“
„Auch deutschlandweit betrachtet, kann sich Greifswald im Bereich der Digitalisierung sehen lassen. In regelmäßig durchgeführten Rankings durch externe unabhängige Institutionen wird Greifswald immer wieder in den oberen Plätzen gelistet. Zuletzt konnte die Hansestadt im Smart City Ranking 2023 wiederholt den 1. Platz in ganz Mecklenburg-Vorpommern sowie den 47. Platz in der Studie „Digitales Deutschland“ erreichen.“
Was sind die Top 3 Herausforderungen der Digitalisierung für Sie?
„Wissen Sie, woher das Wort Abteilung kommt? Vom aktiven „sich abteilen“: Ich teile mich, meine Arbeit, meine Informationen und Dokumente von den anderen Abteilungen ab. Diese Arbeits- und Denkweise ist seit vielen Jahrzehnten in etlichen Behörden etabliert. In der Digitalisierung funktioniert das nicht. Eine der größten Herausforderungen der Digitalisierung ist damit für mich uneingeschränkt das Change Management – der Wandel in der Art und Weise der verwaltungsinternen Arbeit. Als Stabsstelle Digitalisierung arbeiten wir fachübergreifend und projektbezogen. Zu jedem Digitalisierungsprojekt benennen wir die jeweils beteiligten Kolleg*innen aus den unterschiedlichsten Fachbereichen als feste Projektgruppenmitglieder. Diese Form der Zusammenarbeit ist für viele Mitarbeitende in der Stadtverwaltung neu. Die Mitarbeitenden müssen von jetzt auf gleich abteilungsübergreifend in Projekten arbeiten, sollen ihre Ideen und Informationen teilen, und die erforderlichen Zuarbeiten in elektronischer Form, gegebenenfalls über neue Fachverfahren, liefern. Um eine Akzeptanz dieser neuen Arbeitsform zu erreichen, braucht es ganz viel Vertrauen von den Mitarbeitenden, aber auch Zeit, um diesen Wandel gemeinsam zu gehen.“
„Zeit ist das nächste Stichwort, das eine der größten Herausforderungen darstellt. Alle Kolleg*innen der Stadtverwaltung sind vollkommen ausgelastet. Digitalisierungsprojekte bedeuten zunächst immer einen zusätzlichen zeitlichen Mehraufwand und damit eine Verschärfung der defizitären Personalressourcen. Zum jetzigen Zeitpunkt führt Digitalisierung in der Verwaltung auch nicht zu einer nachträglichen Reduzierung dieses Problems. Allein die Umsetzung gesetzlicher Vorgaben an die Verwaltung zur Digitalisierung, wie beispielsweise des OZG-Änderungsgesetzes, hat einen Mehrwert für Antragsstellende und Bürger*innen, führt in der Behörde aber zu zeitlichen und finanziellen Mehraufwänden, die nicht immer auf Verständnis stoßen.“
„Das Fehlen zentraler landes- oder bundesweiter Lösungen zur Verwaltungsdigitalisierung sowie deren Finanzierung ist eine große Hürde. Viele Kommunen in M-V sind bei der Umsetzung auf sich allein gestellt. Viele Informationen, Möglichkeiten zur Einhaltung von IT sicherheits- und datenschutzrechtlichen Vorgaben müssen sich mühsam selbst erarbeitet werden. Eine zielgerichtete, umfangreiche und weitblickende Steuerung durch das Land ist absolut wichtig und sinnvoll, jedoch derzeit leider unzureichend.“
Was sind die Top 3 Lösungen, auf die Sie stolz sind?
„Mit dem Datum Februar 2020 hatten die Beschäftigten in der Stadtverwaltung Greifwald, die Menschen in Deutschland sowie weltweit eine Assoziation, die mittlerweile fast schon wieder ganz vergessen scheint: dies war der Beginn, als sich das Corona-Virus in unserem Land massiv ausgebreitet hat. Durch die Landesregierung wurde der erste große Lockdown verkündet. Aufgrund des verhängten Kontaktverbotes wurden die Schulen geschlossen, die Kinder nicht mehr in den Kitas betreut, und viele Mitarbeitende wurden – soweit es denn organisatorisch und technisch ging – ins Home-Office geschickt. Alle mussten sich umstrukturieren: Arbeit, Kinderbetreuung und Home-Schooling irgendwie unter einen Hut bringen. Und wir alle lebten in der anfänglichen Unsicherheit, dass wir nie wussten, was als nächstes auf uns zukommen würde. Und genau mit Beginn der Pandemie in Deutschland und den dazugehörigen Schwierigkeiten und Gegebenheiten, begann die Stabsstelle Digitalisierung ihre Arbeit in der Verwaltung. Innerhalb kürzester Zeit wurde die Möglichkeit für Home-Office-Arbeitsplätze, digitale Beratungen und zentrale digitale Lösungen zur verpflichtenden Kontaktnachverfolgung geschaffen, sowie kontinuierlich an der erfolgreichen Umsetzung von Digitalisierungsprojekten gearbeitet, wie beispielsweise die Online Terminvergabe.“
„Stolz bin ich insbesondere auf alle motivierten und engagierten Mitarbeitenden der Stadtverwaltung, die an den Digitalisierungsvorhaben mitwirken. Die Zusammenarbeit mit den Kolleg*innen ist herausragend. Insbesondere, wenn wir uns verdeutlichen, dass das Tagesgeschäft sowie die Bearbeitung der Kernaufgaben in den einzelnen Abteilungen oberste Priorität haben. Unsere Digitalisierungsvorhaben bringen für die Mitarbeitenden in der Stadtverwaltung eine zusätzliche Arbeitslast mit sich und es ist nicht selbstverständlich, dass sich dieser Mehrarbeit mit so viel Engagement und Zeit gewidmet wird. Dies ist der Grund dafür, dass wir in der Digitalisierung so gut vorankommen.“
„Natürlich sind auch alle umgesetzten Online-Dienste hervorzuheben, die zu einem Mehrwert für Bürger*innen geführt haben: Im Bereich Schulanmeldung, digitale Leistungen im Fundbüro- und Steuerwesen sowie im Einwohnermeldeamt sind nur einige wenige Beispiele. Besonders hervorzuheben ist aber auch die interne Verwaltungsdigitalisierung, also die Entwicklung und Umsetzung digitaler Workflows und Beteiligungen.“
Wo sehen Sie sich 2030 im Fortschritt der Digitalisierung?
„In der Stadtverwaltung Greifswald wollen wir den Bürger*innen natürlich weiterhin immer mehr digitale Lösungen anbieten. Unsere digitale Bürger*innenbeteiligung ist schon sehr gut vorangeschritten und soll weiter ausgebaut werden. Ebenso wollen wir eine umfassende Digitalisierungsstrategie erstellen, uns mit der Umsetzung des Einsatzes von mehr KI in der Verwaltung beschäftigen und natürlich alle gesetzlichen Vorgaben, wie beispielsweise zur Registermodernisierung, erfüllen.“
Wer ist Ihre Kontaktstelle bzgl. Digitalisierungsbeauftragung?
Frau Carolin Felber Digitalisierungsmanagerin Lange Straße 2 a 17489 Greifswald
Postanschrift:
Universitäts- und Hansestadt Greifswald PF 31 53 17461 Greifswald
Telefon: +49 3834 8536-1114
Fax: +49 3834 8536-1105
E-Mail: c.felber@greifswald.de